Einmal Strähnchen bitte

Wer auch in ungewohnten Situation in der Lage ist, sich positiv zu präsentieren, zählt ohne Frage zu den fortgeschrittenen Bewerber:innen. Fortgeschritten aus meiner Sicht bedeutet: sich selbst und die eigenen Kompetenzen gut zu kennen, ein Ziel vor Augen zu haben und damit die “Antennen auf Empfang” ausgerichtet zu haben. 

Als meine Klientin, Frau M., mir neulich von ihrem besonderen Vorstellungsgespräch erzählte, mussten wir beide herzhaft lachen. 

Es ist eine Binsenweisheit, dass gerade in Phasen beruflicher Orientierung und während der Bewerbungsprozesse ein gepflegtes Äußeres die Selbstsicherheit immens stärken können.

Eigentlich war Frau M., beim Friseur, um sich bei ihren Vorstellungsgesprächen in der Folgewoche wohl zu fühlen. Sie wollte keine neue Frisur sondern ließ sich die Haare etwas kürzen und die blonden Strähnen nachfärben. Frau M. und ihre Friseurin kannten sich gut, da sie Stammkundin war. Sie unterhielten sich über Gott und die Welt, während das Haar Strähnchenweise mit Aufheller eingepinselt und in Alu-Folie eingewickelt wurde. 

Während der Einwirkzeit war Frau M. halb liegend auf einem Stuhl rückwärts  mit dem Nacken an das Waschbecken gelehnt. Die Alu-Folie war auf ihrem Kopf und im gesamten Haar verteilt. Der Kopf fühlte sich schwer und unbeweglich an und irgendwie erinnerte ihr Äußeres an eine Außerirdische.

Am Becken neben ihr erhielt gerade ein Mann eine Haarwäsche. Auch er schien seine Friseurin gut zu kennen und erzählte ihr aus seinem Leben. Er sagte, dass seine beste Mitarbeiterin gerade gekündigt hätte, weil sie mit ihrer Familie weiter weg zieht. 

Frau M. die das hörte, blickte unter ihrer Alu-Folie zu ihrem Nachbarn rüber und erkannte einen angesehenen, stadtbekannten Unternehmer neben sich. Ohne zu zögern fragte sie ihn, was das denn für eine Stelle sei, die nun bei ihm frei würde. Zwischen den beiden entstand ein angeregtes Gespräch, das sich rasch zu einem Vorstellungsgespräch unter Frottiertuch und Alu-Folie entwickelte. Frau M. hat sich dermaßen überzeugend präsentiert, dass sie aus Sicht des Arbeitgebers genau die richtige Kandidatin für die Position war. Als die Friseurin kam, um Frau M. die Haare auszuspülen, vereinbarten die beiden noch rasch einen regulären Vorstellungstermin im Unternehmen.

“Hast Du etwa gerade einen neuen Job bekommen?” fragte die Friseurin, als sie mit Frau M. alleine war. So schnell schießen die Preußen nicht, antwortete Frau M., “ich habe nächste Woche vier Vorstellungsgespräche. Was glaubst Du, wie gut die erst laufen, wenn meine Haare gemacht sind.”

Mittlerweile hat Frau M. viele Vorstellungsgespräche geführt. Auch das formale Job-Interview im Business-Outfit bei der Friseur-Bekanntschaft hat stattgefunden und war erfolgreich. Ob Frau M. die Stelle angenommen hat, erzähle ich vielleicht ein anderes mal. 😉